C64: Aufstieg und Niedergang einer Legende
Mit einem spannenden Artikel zum legendären Commodore 64-bit oder kurz C64 beginnt meine Themenschwerpunkt zu vintage computing. Ich habe mich damit in der letzten Zeit recht intensiv auseinandergesetzt und dabei einige spannende Projekte umgesetzt. Mit dabei war auch der Raspberry Pi, der gerade in der Retro Gemeinde einen würdigen Platz einnimmt…
C64: Aufstieg und Niedergang einer Legende
Heutzutage haben die jüngeren Videospieler wahrscheinlich keine Ahnung, was ein C64 ist. Außer Sie sind echte Nerds und haben ein wenig Recherche betrieben. Es ist gar nicht so lange her, als der Commodore C64 nicht nur die erste Wahl unter den Videospielkonsolen darstellte, sondern auch ein derart leistungsstarkes und praktisches Technikwunder war. Er hat die Sichtweise der Menschen auf Computer für immer verändert. Seine Verkaufszahlen sind bis zum heutigen Tag unerreicht, und so hält er auch ganz offiziell den Rekord für das meistverkaufte individuelle Computersystem aller Zeiten.
Aber wenn das alles wirklich wahr ist, wie kommt es dann, dass der C64 in der heutigen Zeit so gut wie vergessen ist? Wie konnte ein Computersystem, das einst Weltrekorde brach, nahezu in der Versenkung verschwinden, und das so schnell, dass es praktisch in den Schatten der ihm nachfolgenden Spielkonsolen trat?
Die Entstehung des C64
Wenn man damals, im Jahr 1981, von so etwas wie einem Spielesystem sprach, war damit eigentlich die ihm zu Grunde liegende Technologie gemeint. Heute geht es bei diesem Thema weniger um die Software und Hardware unserer Geräte. Vielmehr sprechen wir einfach über die Plattform und unterscheiden zwischen Spielen auf dem Tablet, Smartphone, PC oder der Konsole.
Moderne Konsolen wie die Xbox One und PlayStation 4 bestehen aus einer Reihe leistungsstarker Computerbauteile. Jedes davon wurde mit Hilfe einer ganzen Mannschaft von Technikgenies gefertigt, die oft über die ganze Welt verstreut sind. Es gibt ultra-leistungsstarke GPUs, CPUs, RAM-Module und sonstige Hardware. Im Jahre 1981 sah das noch ganz anders aus: Ein System wie der C64 wurde von einer einzigen Firma hergestellt. Alle benötigten Computer-Chips waren unter einem gemeinsamen Projektnamen zusammengefasst; in diesem Fall war das der VIC-30-Chipsatz.
Der VIC-30-Chipsatz wurde von MOS Technology geschaffen, wobei die Entwicklung im Januar 1981 begann und Ende desselben Jahres abgeschlossen war. Der Vorsitzende von MOS Technology, Jack Tramiel, hatte keine klare Vorstellung davon, was er letztendlich mit dem Chipsatz anfangen wollte. Ihm war klar, dass sich für ein derart leistungsstarkes Stück Technik, das für den Einsatz in einem noch nicht näher bestimmten Spielesystem gedacht war, ein passender Verwendungszweck finden würde. Zu dieser Zeit wurde vor allem an Arcade-Automaten gespielt. Tramiel hatte zunächst mit dem Gedanken gespielt, mit Hilfe des VIC-30 eine neue Generation von Arcadespielen einzuleiten. Stattdessen traf er eine Entscheidung, welche die Welt verändern sollte; er entschloss sich, den Chipsatz in einem Heimcomputer einzusetzen.
Die ersten C64 wurden in großer Eile zusammengebastelt. Sie wurden gerade rechtzeitig fertig, um auf der CES (Consumer Electronics Show) der Öffentlichkeit vorgestellt zu werden. Bekannt waren Sie damals als VIC-30iger, und das Messepublikum war hin und weg.
Der Anbruch einer neuen Ära
Natürlich waren damals auch andere Heimcomputer erhältlich, etwa der Apple II oder der IBM PC, aber der C64 spielte in einer ganz anderen Liga. So etwas wie seine 64 Kilobyte Arbeitsspeicher hatte die Welt noch nicht gesehen und die Komplexität der Software, die darauf laufen konnte, sorgte für offene Münder. Und es war nicht nur die Technik, die für Erstaunen sorgte, sondern auch der unglaublich niedrige Preis.
Zum Vergleich: Der Apple II wurde in der Basisversion mit 4 Kilobyte RAM für 1.298 $ verkauft. Für die Luxusversion mit der Maximalausstattung von 48 Kilobyte RAM durfte man gleich 2.638 $ auf den Tisch legen. Der C64 mit seinen 64 Kilobyte RAM wurde dagegen für 595 $ verkauft. Das ist, als würde man heute erfahren, dass die nächste, weitaus bessere Generation der Xbox zum halben Preis angeboten wird. Und so sorgte der C64 auch 1981 für einen Freudentaumel unter den Spielern.
Der Verkaufshit
Der C64 wurde massenweise vom Handel bestellt und ging weg wie warme Semmeln. Die derart explosiv gestiegene Nachfrage sorgte allerdings für vielerlei Probleme und technische Schwierigkeiten, sodass die einzelnen Teams kämpfen mussten, um den Bestellungen hinter herzukommen. Unerwartet traten grundlegende Unterschiede zwischen den Arbeitsweisen der Montagewerke in den USA und in Japan zu Tage, wie beispielsweise die Verwendung unterschiedlicher Schrauben, was zu ernsthaften Komplikationen führte. Diese Probleme konnten glücklicherweise schnell behoben werden.
Der C64 war in aller Munde und erstmals begann sich auch die breite Öffentlichkeit für Computertechnologie und Programmierung zu interessieren. Dank des niedrigen Preises bot sich all jenen plötzlich eine Alternative, die zuvor gedacht hatten, dass ein Computer für sie unerschwinglich wäre. Interessanterweise wissen nicht wenige der heutigen Top-Programmierer zu berichten, dass sie ihre ersten Erfahrungen mit einem C64 gesammelt haben.
Laut Schätzungen wurden insgesamt 30 Millionen C64 verkauft. Manche Quellen nennen auch 20 Millionen, was eher zutreffen dürfte. Dieser Wert ist bis heute nicht geschlagen worden. Es ist ein Rekord, den man nicht unterschätzen sollte.
Ein schneller Niedergang
Kaum einer hätte einen derart raschen und verfrühten Untergang des C64 für möglich gehalten. Das soll nicht heißen, dass er keinen sehr guten Lauf gehabt hätte. Das Tempo aber, mit dem er an Beliebtheit verlor, überraschte viele. Woran das lag? Ganz einfach: Computertechnik entwickelt sich schnell weiter. Der C64 war ein 8-Bit-System, während um ihn herum die Ära der 16-Bit-Computer eingeläutet wurde.
Durch die Einführung eines offenen Standards für PC-Architektur schuf IBM praktisch die Basis des modernen PCs. Dieser Schachzug machte dem C64 mehr oder weniger auf einen Schlag den Garaus. Die Technik entwickelte sich weiter, und der C64 konnte nicht Schritt halten. Besonders weil das bedeutet hätte, das gesamte System von Grund auf neu aufzubauen. Die IBM-Systeme waren dagegen erweiterbar.
Mit dem Amiga 500 wurde versucht, einen Nachfolger des C64 zu schaffen. Der Amiga war nicht kompatibel zur C64-Software und konnte nicht annähernd an dessen Beliebtheit anknüpfen. Die C64-Anhängerschaft sah sich plötzlich alleingelassen und war gezwungen, sich eine neue Heimat zu suchen.
Retro–Revival
Heutzutage scheint es, als hätte der Tod viel von seiner Endgültigkeit eingebüßt. Allenthalben sieht man, dass die Technologien und Trends vergangener Tage wieder angesagt sind, insbesondere bei den Computerspielen. Tatsächlich scheint es, als wären Oldschool-Spiele mit schlichter Grafik und minimalistischem Gamedesign beliebter als je zuvor. Der riesige Erfolg von Spielen wie Super Meat Boy, Hotline Miami und vielen anderen beweist, dass „alt“ keinesfalls mit „tot“ gleichzusetzen ist. Darüber hinaus versucht seit Kurzem auch ein System namens Retro VGS Cartridge-Spielen neues Leben einzuhauchen. Wird also auch der C64 von den Toten auferstehen?
Die Essenz des C64 lebt dann auch tatsächlich weiter, auf dass wir niemals Spiele wie Alien von Mind Games und Pac-Man vergessen. Die Computerspielewelt von heute wurde dadurch grundlegend beeinflusst. Der C64 wird wohl nie komplett wiederkehren, aber er ist eine Ikone in der ständigen Veränderungen unterworfenen Technik- und IT-Welt. Er steht nach wie vor auf Rang 1, als das meistverkaufte Computersystem, das je auf den Markt gekommen ist. Das muss erstmal von einem anderen System erreicht werden.
Sehr schöner Artikel.
War mein erster richtiger Rechner. Macht auch heute noch Spass auf dem Emulator.
DS
Der Artikel liest sich am Anfang spannend, aber da ich fast alle Bücher zum C64 gelesen habe, verliert der Artikel doch sehr schnell an Wertigkeit, wenn man weiter liest. Ausschlaggebend waren nicht die Arcade Geräte, sondern Sinclair Geräte. Tramiel hatte eigentlich immer Angst, Angst vor der Konkurrenz. Er war in Kanada schon bankrott, und Texas Instrument hatte ihn aus dem Taschenrechner Geschäft geworfen. Das alles wollte er nicht noch Einmal erleben. Alles begann nicht mit dem C64, sondern mit dem PET. Und als Sinclair mit seinem Computer Erfolg hatte, einen sehr sehr billigen und so gut wie nutzlosen Computer, und Tramiel mit seinem billigen VIC I Chip einen besseren billigen Computer herstellen konnte (daraus wurde dann der VC-20), tat er es. Der VIC-20 war ein riesiger Erfolg, auch wegen der Tastatur. Der C64 kam später aus einem ganz anderen Grund. Al Charpentier und Charles Winterble bauten den VIC 40 (VIC II), nicht weil sie einen C64 bauen wollten, sondern den besten Grafikchip auf dem Markt… und diesen dann als Chip verkaufen. Erst später, als niemand den VIC 40 haben wollte… haben sie einen Computer draus gemacht.. aus dem TED Projekt. Glücklicher Zufall war das Yannes gleichzeitig einen Soundchip designte, der alles vorherige in den Schatten stellte. Genauso wie der VIC 40 (VIC II) Chip. Den C64 baute dann ein anderes Team rund um Peddle, weil Yannes Prototyp kein richtiger Computer werden konnte. Auf der CES wurde kein C64 gezeigt, sondern nur ein Prototyp, der kein vollwertiger Computer war. Den C64 haben sie dann erst ca. 6 Monate später fertigstellen können (Rekordzeit), aber da Tramiel den Computer eigentlich in 3 Monaten produktionsbereit haben wollte, strich er den Leuten den Bonus, als der C64 fertig war. Deshalb haben so gut wie alle C64 Teammitglieder aus Frust dann Commodore verlassen.
Das kann man überall nachlesen.
Danke für diese Detaillierung. Auch eine Beleuchtung der Zwiegestalt Tramiel. Einerseits konnte er vorantreiben und Kompetenzen bündeln und somit Ziele kurzfristig realisieren – wie Steve Jobs, andererseits verstand er es, wichtige Schlüsselpersonen vor den Kopf zu stoßen und aus Commodore hinauszuekeln – und somit langfristige Ziele torpedieren.